Auf die Norddeutsche Tiefebene, die an keiner Stelle mehr als 200 m über den Meeresspiegel ragt, folgt nach Süden das Niedersächsische Bergland
- mit Höhen über 300 m ein abwechslungsreicher Naturraum aus flachen Bergketten und Schichtstufenlandschaften mit breiten Talauen. Zu ihm zählen ein Teil des Wiehengebirges und des Teutoburger Waldes, das
Weserbergland, Deister und Süntel, das Leinebergland mit Ith und Hils, die Höhenzüge des nördlichen Harzvorlandes, wie Elm, Salzgitter-Höhenzug oder Harly, aber auch die breiten Buntsandsteinrücken von Solling und Eichsfeld.
Die Formen der Landschaft wurden von den charakteristischen Sedimentgesteinsabfolgen des Mesozoikums geprägt, die durch den Aufstieg von Salzen aus der Zechstein-Zeit und durch junge Grabenbrüche wie den Leinetalgraben, verstellt wurden. Der Harz
dagegen ist ein Teil der variszischen Gebirge Europas und besteht aus gefalteten Gesteinsserien des Erdaltertums. Er verdankt seine Gebirgslage Prozessen, die vor 80 Mio. Jahren, zur Zeit der späten
Oberkreide, begannen und in einer Hebung der Scholle gegenüber der gleichzeitig einsinkenden nördlichen ́subherzynen Senké bestand. Diese Hebung verlief unsymmetrisch und ließ am Nordrand
eine Pultscholle entstehen, die sich zum Thüringer Becken hin absenkt. Die - übrigens bis heute andauernde - Hebung des Harzblockes führte gleichzeitig zur Abtragung der vormals
sedimentierten Gesteins-Serien des Oberperms (Zechstein) und des Mesozoikums. Die Erosion arbeitete sich im Laufe der Oberkreide und im Tertiär in immer tiefer liegende Gesteinshorizonte hinein, so
dass die das Deckgebirge unterlagernden gefalteten Gesteine des Altpaläozoikums und die zugehörigen Magmatite und Vulkanite sich großflächig an der Oberfläche abzeichneten.
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Der Elmkalkstein
Der aus den Schaumkalkbänken des unteren Muschelkalks gewonnene Elmstein ist ein heller, von zahlreichen feinen Poren durchsetzter Kalkstein, der leicht
bearbeitbar ist. Da er außerdem sehr wetterbeständig ist, ist er als Werkstein geeignet. Die ersten Steinbrüche legte man wahrscheinlich im “Steinkuhlenberg” bei
Königslutter an, wo zahlreiche kleine Brüche noch an den im Mittelalter üblichen “Kuhlenbau” erinnern. Die Steinbrüche von Königslutter befanden sich ursprünglich
im Besitz des Benediktinerklosters, später erhoben die Pfandinhaber der Burg Königslutter darauf Anspruch. Es kam zu einem Streit zwischen dem Abt Bartholdus
Keghel und den Gebrüdern von Weferlingen, der 1399 durch Herzog Friedrich von Braunschweig geschlichtet wurde.
Als ältestes erhaltenes Bauwerk, bei dem Elmkalksteine verwendet wurden, gilt die im 11. Jahrhundert errichtete Ludgeri-Kapelle in Helmstedt. Anfang des
12. Jahrhunderts sind die Steinbrüche des Elms bereits recht bedeutend gewesen. Das beweist die 1135 von Kaiser Lothar von Süpplingenburg errichtete
Stiftskirche von Königslutter, bei deren Bau Kalksteinquader benutzt wurden. Die dort am Jagdfries der Apsis, im Chor und im Kreuzgang vorhandenen
Steinmetzarbeiten zeigen die hervorragende Eignung des Elmkalksteins für künstlerische Gestaltung.
Im Mittelalter wurde das Land weithin mit Elmkalksteinen versorgt. Fast sämtliche Kirchen und Klöster, Burgen und Schlösser rings um den Elm zeigen
dies. In Braunschweig wurden so viele Bauten aus diesem Material errichtet, dass man es “Stadt des weißen Elmkalksteins” nannte. In romanischer Zeit benutzte
man dort für die Grundmauern der Kirchen und Klöster zwar meistens den Rogenstein, den man in eigenen Steinbrüchen am Nußberg und am Thieder Lindenberg
gewann, für feinere Architekturglieder, wie Säulen, Kapitelle, Gesimse, bevorzugte man jedoch den Elmkalkstein. Die Gotik mit ihrem reichen figürlichen Schmuck
begünstigte die Verwendung dieses Materials. Prächtige Beispiele sind das aus der Mitte des 13. Jahrhunderts stammende Grabmal Heinrichs des Löwen und
seiner Gemahlin im Dom zu Braunschweig, die figürliche Plastik der 1434 fertiggestellten St. Annenkapelle an der Martinikirche, die Reliefs an den Chorgiebeln der
Andreaskirche. Nicht zuletzt sind die in der Mitte des 15. Jahrhunderts von dem Meister Hans Hesse geschaffenen Statuen vor den Laubengängen des
Altstadtrathauses zu nennen, die bedeutende Fürsten wie Kaiser Lothar und Heinrich den Löwen mit ihren Gemahlinnen, darstellen. Die obersten Stockwerke der
drei Hauptpfarrkirchen von Braunschweig (St. Martini, St. Andreas und St. Katharinen) bestehen ebenfalls überwiegend aus Kalkstein. Wie bedeutsam der Transport
von “Lutterschen Steinen” aus dem Elm war, geht aus den erhaltenen Weichbildrechnungen der Braunschweiger Altstadt hervor, wonach in den Jahren 1450—1480
von der Altstadt etwa 200 Pfund und 80 Mark an Fuhr- und Brechelohn ausgegeben wurden. Für den Neubau des Rathauses (“to dem rathuse, to der dornssen, to dem winkelere”) wurden in den Jahren 1458, 1460, 1461, 1462, 1464 und 1465 1162 Schock und 32 Fuder “Luttersche Steine” bezogen.
Bildersteine vom Elm dienten auch zur Herstellung der Rolande, jener machtvollen Verkörperungen alter Rechte und Freiheiten in den mittelalterlichen
Städten. Aus Elmkalkstein besteht der älteste und bedeutendste unter ihnen, der Bremer Roland. Er wurde 1404 in einer Länge von 5,45 Meter als Ersatz für das
1366 abgebrannte hölzerne Standbild von einem unbekannten Meister vor dem Rathaus errichtet; aus Elmstein besteht auch der Sockel des Halberstädter Rolands.
Von dem ehemaligen Roland vor dem Rathaus zu Gardelegen hat man behauptet, er sei in Königslutter hergestellt, denn in einem 1669 in Stendal gedruckten Werk findet sich der handschriftliche Vermerk des Verfassers: “Dieser itzige ist Anno 1564 gesetzt worden, denn der andere und erste, so zu Königslutter verfertiget worden, war durch den Brand ganz verderbet, verstümmelt und mürbe gemacht”.
1433 erwarb die Stadt Braunschweig die Burg Ampleben und legte nun unweit Groß Rhode einen eigenen Steinbruch, die “Ampleber Kuhle”, an. Der Herzog
in Wolfenbüttel versuchte mehrere Male, den Braunschweigern die Burg Ampleben mit den Steinkuhlen abspenstig zu machen. So wird berichtet, dass 1595 fünfzig
herzogliche Reiter den Bau besetzt hätten und dass 1602 zwanzig herzogliche Wagen zur neben der herrschaftlichen Kneitlingskuhle gelegenen Ampleber Kuhle
gefahren seien, Steine aufgeladen und nach Wolfenbüttel gebracht hätten. Für die 1604-1623 im Renaissancestil errichtete Hauptkirche in Wolfenbüttel bezog der Herzog Steine aus der “Lutterkuhle” und von der “Teufelsküche”. Aus Elmkalkstein entstand im Jahre 1591 die Prunkfassade des Gewandhauses in Braunschweig.
Eine starke Förderung erfuhr der Abbau der Elmkalksteine durch Herzog Julius von Braunschweig (1568—1589). Dieser gehörte zu den geistig
aufgeschlossenen Fürsten seiner Zeit, denn sein Interesse galt den Naturwissenschaften, dem Berg- und Hüttenwesen und eben den Steinbrüchen. Das beweist
sein 1575 für die Steinkuhlen des Elms, der Asse und des Ösels herausgegebenes “Instrumentenbuch” mit einer Zusammenstellung der für jede Steinkuhle
notwendigen Geräte. Außerordentlich interessant sind die Pläne, die der Herzog in der genannten Schrift über den Abtransport der Steine entwickelt. Sein Ziel ist,
die Altenau (Nette genannt) schiffbar zu machen und eine Staustufe anzulegen, um die in den Steinbrüchen des Elms (Kneitlinger Kuhle) und des Ösels
gewonnenen Steine nach Wolfenbüttel befördern zu können. Der Transport den Berg hinunter sollte in Küsten auf hölzernen Gleitschienen (Gleitkunst) erfolgen.
1577 war die Altenau immerhin soweit reguliert, dass sie teilweise mit Flößen befahren werden konnte. Die weitergehenden Pläne des Herzogs, die auch die
Schiffbarmachung der Schunter und eine Verbindung zwischen den Fluss-systemen der Weser und der Elbe vorsahen, konnten jedoch nie verwirklicht werden.
Im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts wurden zahlreiche neue Steinbrüche angelegt; 1650 und 1660 werden Steinkuhlen bei Groß Rhode und am Evesser
Berg genannt. 1672 erhielten die Bürger von Schöppenstedt von Herzog Rudolf August das Privileg, in ihrem Gehölz (Weddy) einen Steinbruch anzulegen. Er
machte aber zur Bedingung, dass die Schöppenstedter dort nur Steine für den eigenen Bedarf brächen. Weitere Steinbrüche werden im 18. Jahrhundert bei
Langeleben (Altfeld), Lelm (Langeleber Trift), Schöningen (über dem Kloster am Elmrand), Twieflingen (Elmsburg), Gr. Rhode, dem Tetzelstein, Ampleben (Ampleber Kuhle), Erkerode, Lucklum (vier im Dettumer Grund, einer auf dem Kuxberg), Hemkenrode und Destedt erwähnt. Kalköfen befanden sich an der Lutterquelle, bei
Schöningen, auf der Elmsburg, im Weddy, bei Gr. Rhode, auf der Ampleber Kuhle, bei Erkerode, im Dettumer Grund, auf dem Kuxberg und bei Destedt. Gips wurde
im Reitingstal (westlich der Gaststätte ist noch ein alter Gipsbruch zu erkennen), und auch bei Schöningen (nahe dem ehemaligen Salzwerk) gewonnen. Das 18.
Jahrhundert brachte auch eine Verwendung des lockeren, porösen Kalktuffs, der als Zierstein für die Grotten des fürstlichen Lustschlosses Salzdahlum bevorzugt
wurde. Später benutzte man den Duckstein, der gelegentlich auch im Mittelalter als Baumaterial gedient hat, da er leicht gebrochen werden kann und sich im
bergfeuchten Zustand auch gut bearbeiten lässt. Da allerdings der Duckstein Feuchtigkeit anzieht und schnell verwittert, ersetzte man ihn seit der
Jahrhundertwende durch den wertvolleren Kalkstein. 1910 gab es im Elm noch neun Steinbrüche, von denen fünf bei Königslutter und vier bei Schöningen lagen.
Neuere Bauten, bei denen Elmkalksteine verwandt wurden sind die Landgerichtsgebäude von Berlin-Charlottenburg und Danzig (1910), Hochhäuser am
Alexanderplatz in Berlin (1930—1931), Autobahnbrücken, Flugplatzgebäude und Bauten auf dem Reichssportfeld in Berlin (1935—1936), nach 1945 die Martin-Luther-Kirche in Hildesheim, die Industrie- und Handelskammer in Braunschweig, Kirchenbauten in Wolfsburg und das Landgericht in Hannover. Beispiele für
eine Denkmalsgestaltung aus Elmkalkstein bilden das Eulenspiegel-Denkmal vor der Kirche in Kneitlingen und das 1952 geschaffene Ehrenmal der Stadt Hamburg
für die Opfer des Bombenkrieges. Bald nach der Jahrhundertwende entstanden, gestützt auf die Verwendung des Kalksteins, drei bedeutende Industrieunternehmen am Elm. 1904 gründete der Erbauer der Braunschweig-Schöninger Eisenbahn, der Königlich Preußische Eisenbahninspektor Mühlen, an dieser Bahn bei Hemkenrode die Braunschweigischen Elmkalk- und Steinwerke, die gebrannten Kalk zum Bauen und Düngen herstellten. 1946 begann der Kalkfachmann J.
Schnuch mit dem Wiederaufbau des Werkes. In der Destedter Forst wurde ein neues Bruchgelände erschlossen und durch eine Seilbahn mit dem Werk verbunden.
1954 wurde neben dem Kalkwerk eine Zementfabrik errichtet, da sich das kleinstückige Rohgestein des Bruches als ein hervorragendes Material zur Herstellung
von Portland-Zement erwies. Neben dem Baukalkhydrat Marke “Elmkreuz” erschien der Port-Zement Marke “Elmkreis” aus dem Werk Hemkenrode auf dem niedersächsischen Baumarkt. N
ach Heinz Röhr
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Farbcode am Beispiel des Elm (Schöppenstedter -> Süpplinger Mulde, d.h. SW -> NO): grün, Kreide; blau, Jura; braun, Keuper; rosa, Muschelkalk; orange, Buntsandstein; weiß (darunter), Zechstein
Exkursionen mit Charly von Küblingen, alias “Geo-Charlie”:
Einfach das Bild anclicken!
http://braunschweig-touren.de/Seiten/exkursion1.htm: Kalksteinbruch an der A395 Steinbruch Harlingerode
http://braunschweig-touren.de/Seiten/exkursion2.htm: Kalksteinbruch Hoppenstedt; Rogenstein und Stromatolithen im Heeseberg; Eisenerzgrube bei Rottorf
http://braunschweig-touren.de/Seiten/exkursion3.htm: Geopark-Museum Königslutter
http://braunschweig-touren.de/Seiten/exkursion4.htm: Elm und Dorm
4 - Kreide (Fallstein)
3 - Jura (Posidonienschiefer Schandelah, Eisenerz Rottorf)
2 - Trias (Elm: Muschelkalk, Heeseberg: Rogenstein)
1 - Perm (Asse: Salzstock)